Pforzheim – Die Mischung macht’s REVISITED #8

Pforzheim - Die Mischung macht's REVISITED #8

DF

Zu Gast: Anwar Kathari (Irak, in Pforzheim seit 2015), Karl Scholten (Deutschland, in Pforzheim seit Geburt) und Thi Minh Dieu Vo-Nguyen (Vietnam, in Pforzheim seit 1986)

In Pforzheim lebt die Welt. Menschen aus mehr als 140 Nationen – viele bei uns geboren. In den Kurzfilmen von PF-Die Mischung macht’s wurden seit 2010 47 Menschen mit vielen verschiedenen kulturellen und religiösen Hintergründen portraitiert. Nun möchten wir diese Menschen wieder treffen, sie anhand ihrer Filmportraits vorstellen und mit ihnen sprechen wie sich ihr Lebensweg in den letzten Jahren gestaltet hat.

Es ist der mittlerweile 8. Abend der Reihe „Pforzheim – Die Mischung macht´s revisited“ – und es ist der Abend mit den meisten Zuschauern. Ein buntes Bild – sowohl im Kinosaal des Kommunalen Kinos Pforzheim (Koki) als auch nach Filmen und Podiumsgesprächen im Schlosspark beim gemeinsamen Essen. Die Filme wurden bereits vor Jahren produziert; die Protagonisten mit Migrationshintergrund oder zumindest mit Berührung zum Thema – wie sich Projektleiterin Mirzeta Haug äußert – zeigen sich nun im Kinosaal und erzählen, was sich in der Zwischenzeit in ihrem Leben verändert hat.

Nicht alle Träume haben sich bereits erfüllt

Schauspieler ist er zwar noch nicht, aber seinen Traum davon hat Anwar Khaled Khatari noch nicht aufgegeben. Zum Singen und Schauspielern fehle ihm, so der junge Iraker, der im Alter von 14 Jahren vor der IS aus seiner Heimat flieht, die Zeit. Er müsse arbeiten. Doch der Traum, die Eltern nach Deutschland holen zu können, ist immerhin in Erfüllung gegangen. „Ich habe vieles geschafft: Ich habe eine Arbeit, den Führerschein und ein Auto.“ Er ist 14 Jahre alt, als er vor dem IS flieht. „Die wollten uns töten. Und wir wollten leben.“ Näher geht er nicht darauf ein. Seine Heimat Pforzheim verteidigt er, als jemand aus dem Publikum fragt, ob ihm hier nie langweilig geworden wäre. „Das ist doch nicht langweilig hier. Es ist schön in Pforzheim.“ Eher schon amüsiert ergänzt eine junge, aus Frankreich stammende Frau, dass es seltsamerweise eher die Migranten seien, die sich begeistert über die Stadt äußerten als die Einheimischen. Sie selbst genießt es, zufällig beim Gang durch die Stadt („ein großes Dorf“) auf Bekannte zu treffen.

Migranten verteidigen die Stadt

So viel zum Thema Heimat. Auch für Thi Minh-Dieu Vo-Nguyen, die in Vietnam zur Welt kam, ist Pforzheim zu der Stadt geworden, der sie auf keinen Fall den Rücken kehren wollte. Für sie war es keine Frage, hier mit einem asiatischen Restaurant zu starten – „obwohl es schon so viele gibt“. Thi Minh-Dieu Vo-Nguyen ist vier Jahre alt, als ihre Familie wieder mit dem Vater in Deutschland vereint wird, der heimlich mit den „Boat-People“ flüchtete ohne es in seiner Familie anzukündigen. So groß war die Angst, dass die in Nord-Vietnam herrschenden und den Süden übernehmenden Kommunisten der Familie etwas antun könnten. Heute sei Reisen nach Vietnam kein Problem mehr. „Mein Vater fliegt in zwei Wochen und freut sich sehr darauf.“ Thi Minh-Dieu Vo-Nguyen, die es eher als Kompliment auffasst, wenn sie wegen ihres asiatischen Aussehens gefragt wird, woher sie kommt und dass sie so gut Deutsch spricht, hat den „Bildungs“-Rat ihrer Eltern befolgt – ihr asiatisches Restaurant in der Nordstadt Pforzheim jedoch inzwischen mit einem Café an der Enz vertauscht. Taoufek Morat vom Internationalen Beirat, der Projektleiterin Mirzeta Haug bei der Moderation nach den Filmen unterstützt sagt allerdings, dass er sich sehr gut vorstellen könne, wenn hier Geborene mit Migrationshintergrund (der Eltern) auf ihre Herkunft angesprochen würden, wo sie sich doch als Deutsche empfänden. Und, so Morat, in der Heimat ihrer Eltern wiederum auch als Fremde betrachtet würden.

„Ich dachte, die sind auch sehr unter sich“

Und Karl Scholten, der als Jugendlicher bereits ein Treffen zwischen Einheimischen und Geflüchteten mit organisiert und dadurch auch seine erste Foto-Serie realisiert, ist dabei, seinen Traum zu realisieren, indem er Fotografie in München studiert. Der „Mischung-Film“ sei sein erster gewesen, sagt er. Er fühle sich, so antwortet er auf eine Frage, sehr wohl privilegiert und schätze seine Möglichkeiten. „Aber wenn man daran glaubt, dann ist oft alles möglich“, zeigt er sich überzeugt. Dass er schon als Teenager aktiv etwas zur Integration beiträgt begründet er so: „Ich bin an den Flüchtlingsunterkünften vorbei gefahren und dachte nur: Die sind auch sehr unter sich. Die Interaktion fehlt.“ Aus den inzwischen offiziell eingestellten gemeinsamen Treffen beim Kegeln etwa haben sich seines Wissens aber sehr wohl dauerhafte Freundschaften entwickelt.

Schmunzeln löst die Bemerkung Mirzeta Haugs aus, dass eine Migrationsforscherin über Pforzheim gesagt haben soll: „Das ist mein Real-Labor.“ Alle Podiumsteilnehmer sind sich einig darin, dass es heute viele Möglichkeiten und Angebote in Pforzheim gibt. So hält auch Karl Scholten die Aussage von damals aufrecht, dass es viel und gute Kulturangebote gebe. „Das Angebot ist gewachsen“, sagt er, empfindet aber generell die Gesellschaft heute als gespaltener. Als ihr Vater, so Thi Minh-Dieu Vo-Nguyen, nach Deutschland gekommen sei, habe es außer einem Sprachkurs nichts gegeben. Die Leute seien heute viel offener und würden versuchen, Menschen mit Migrationshintergrund beziehungsweise Flüchtlinge einzubeziehen. „Jeder kann etwas beitragen, um etwas zu bewirken.“

 

PFORZHEIM - DIE MISCHUNG MACHT'S REVISITED #8 | 0 | ab 0 Jahren | 90 Minuten