Zur Sache, Schätzchen

Zur Sache, Schätzchen

Schwabing in den 60ern: eine Mischung aus Universität, Künstlern, Kneipen und Revolution. Mittendrin Martin und Barbara.

Movie Artwork

Bis heute betont Werner Enke, der Darsteller von Martin und immer noch der Lebensgefährte der Regisseurin May Spils, dass für ihn das Kino „Türkendolch“ (damals eines der Schwabinger Kinos in der Türkenstraße und heute ein Café), die ungeladene Pistole und die Ermordung von Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 (also am 3. Drehtag von ZUR SACHE, SCHÄTZCHEN) die Handlung, den Stil des Films und seine improvisierte Machart geprägt haben. Den expliziten Einfluss von „Außer Atem“ mit seiner neuen Schnitttechnik, der Kameraführung und dem Drehen ausschließlich an Originalschauplätzen unterschlägt er damit zwar etwas, doch bezeichnet er die Kinobesuche seiner Clique als den eigentlichen Lernprozess und Ausgangsort ihrer eigenen Filmarbeit: Humphrey Bogart und die B-Filme Hollywoods. Die Nouvelle Vague hat also ihren Anteil am Neuen deutschen Film der 60er. So kann man Michel in Godards „Außer Atem“ als den Vorläufer von Martin sehen, der dort ein Kleinkrimineller ist und eher aus Versehen einen Polizisten erschießt, und nun hier im Gewand des lethargisch-schlagfertigen Bürgerschrecks daherkommt, also eher eine bohèmehaft-intellektuelle Komponente hat und den Film so in die Kategorie der Lifestyle-Komödie gleiten lässt. Bis zur Uraufführung wusste das Team um May Spils selbst nicht, wie sie ihren Film kategorisieren sollten; als die Leute dann lachten, hatte das Publikum selbst entschieden, wie es ihn sehen wollte.

Die Pistole spielt für Enke durchgehend die Rolle des verschleppten Selbstmords aus Lebensüberdruss, den Martin immer wieder „praktiziert“. Bei Godard ist sie im Finale der Auslöser für Michels Tod vor der 11 Rue Campagne Première; dies verbot sich aber für Spils/Enke, da während der Drehzeit der tödliche Schuss aus der Pistole eines Berliner Polizisten auf den Studenten Benno Ohnesorge fiel, sich so also eine zu naheliegende Parallele oder Deutungssicht angeboten hätte, die man nicht wollte.

»Leichthändig inszenierter Erstlingsfilm; eine intelligente und streckenweise amüsante zeitkritische Glosse, in der selbstironische Kritik und das Verlangen nach menschlichen Beziehungen unüberhörbar sind. Auch in der Rückschau bleibt der Film einer der wenigen wirklich unterhaltsamen Autorenfilme.« (Lexikon des Internationalen Films)

DE 1967 | Regie: May Spils | Mit: Werner Enke, Uschi Glas, Henry van Lyck | ab 16 Jahren | 80 Minuten